Tour 05: Hildesheimer Wald und Bodenburg
Den Wald immer fest im Blick
Von Christine Kasten
Die Luft ist schon nach den ersten Metern raus. Mit einem leichten Plattfuß am Hinterrad komme ich morgens an dem Treffpunkt, der Brücke an der Jo-Wiese, an. Aber Uwe Jenss und Georg Körner vom ADFC, meine Begleiter für die nächsten 50 Kilometer, sind natürlich gewappnet und haben – im Gegensatz zu mir – an eine Luftpumpe gedacht.
Ruck zuck ist der Reifen prall gefüllt, und wir sind mitten im Gespräch mit Siegfried Doering. Der 80-jährige Spaziergänger ist begeisterter Radfahrer, kauft bei Jenss gleich die neueste ADFC-Karte und jagt mir gehörig Respekt ein: Bis vor zehn Jahren sei er noch mehr als 100 Kilometer pro Tag gefahren, sagt er. Jetzt gehe er es ruhiger an. Ich nicke anerkennend und verschweige mein Vorhaben für den heutigen Tag: 50 Kilometer soll es über Emmerke, Nordstemmen und Barfelde bis nach Bodenburg gehen. Immer am Hildesheimer Wald entlang und dann mit der Bahn über Bad Salzdetfurth zurück.
Zu Beginn radeln wir an der Innerste entlang, kurze Zeit später auf dem Feldweg am Kupferstrang. Hinter dem Sportplatz von TUS Grün-Weiß biegen wir links nach Himmelsthür ab, folgen den kleinen rot-weißen Schildern, die uns sicher durch die fast autoleeren Straßen des Ortsteils lotsen. In gemütlichem Tempo geht es an der Salzwiese entlang bis zum Bahnübergang, an dem wir rechts abbiegen und in ausreichendem Abstand zur lärmenden Bundesstraße 1 erstmals den Blick in die Weite schweifen lassen.
Zu unserer Linken – hinter Sorsum – erstrecken sich die ersten Ausläufer des Hildesheimer Waldes. Die Hügel, die dunkelgrün in der milchigen Vormittagssonne liegen, werden bis zum Ende der Tour nicht mehr von meiner Seite weichen. „Wir versuchen so oft es geht, dem Autoverkehr zu entgehen“, erklärt mir Jenss, als wir nach etwa fünf Kilometern Emmerke erreichen. Dem Escherder Kirchweg folgend, passieren wir einen kleinen Bahnübergang, umfahren die Firma Köster und nähern uns dem beschaulichen Klein Escherde.
Auch hier orientieren wir uns an den kleinen Hinweisschildern – bis meine beiden Führer plötzlich schwarz sehen: Randalierer haben eines der Schilder übersprüht. Doch die beiden Rad-Experten wissen Rat, rufen per Handy bei dem ADFC-Kreisvorsitzenden Dietmar Nitsche an, dessen Nummer für solche Fälle auf den Hinweisschildern vermerkt ist. „Das Schild wird wieder gesäubert“, sagt Jenss, schüttelt kurz den Kopf, und schwingt sich auf seinen Drahtesel.
An Mais- und abgeernteten Getreidefeldern geht es nun vorbei, akustisch begleitet von einem ständigen Grillenkonzert. Nach etwa elf Kilometern fahren wir durch Heyersum hindurch. Unser erstes Etappenziel, Nordstemmen, habe ich jetzt direkt vor Augen. Und eine versprochene Kaffeepause lässt mich gleich noch kräftiger in die Pedale treten.
Die koffeinhaltige Stärkung genehmigen wir uns bei Friedrich-Karl Bordt. Der Schlachtermeister, der seinen Wurstkrieg gegen die Welfen mittlerweile beendet hat, steht nun mit seinem Imbiss am Innenstadt-Kreisel. „Meine Stammkunden halten mir auch hier die Treue“, sagt der 61-Jährige, während er seinen Stand auf den mittäglichen Ansturm vorbereitet.
Davon kriegen wir aber schon nichts mehr mit, denn für uns geht es nun immer gen Süden, wobei wir erstmal ein kleines Stück an der Kreisstraße entlang bis nach Burgstemmen fahren müssen. Doch dafür werden wir schon bald entschädigt: Direkt nach der Ortsausfahrt biegen wir rechts in einen ansteigenden Feldweg ein, der uns parallel zur Leine mitten ins erweiterte Kiesabbaugebiet im Berkel hinaufführt. Der Quarzsand wird hier aus bis zu zwölf Meter tiefen Gruben herausgeholt – die Entfernung lässt die Lastwagen wie Spielzeug aussehen.
Am Ende des holprigen Weges erwartet uns dann ein wunderschöner Ausblick: Links die Ortschaft Betheln mit der prägnanten achteckigen Kirchturmspitze, rechts das fruchtbar-grüne Leinetal und mittig, hinter Gronau, erheben sich in dem etwas dunstigen Sonnenlicht die Sieben Berge. Wir halten uns scharf links und legen die nächsten rund vier Kilometer auf hügligen, aber gut zu bewältigen Feldwegen rund um den Großen Rammelsberg zurück. Nur einmal müssen wir die viel befahrene Landstraße nach Gronau überqueren.
Auf der Höhe von Betheln nutzen wir die Möglichkeit, einen etwa sechs Kilometer langen Abstecher zum Kloster Haus Escherde zu machen. 1203 als Frauenkloster für Benedektinerinnen durch den Hildesheimer Ministerialen Luppold von Escherde gegründet, wird es heute landwirtschaftlich genutzt. Auch wenn das Kloster selber leider nicht zu besichtigen ist, so bietet sich von dem mit zahlreichen Apfelbäumen gesäumten Weg doch ein wunderschöner Blick auf die idyllisch gelegene Anlage.
Über Eddinghausen – den Rodenberg zu unserer Linken – geht es schließlich nach Barfelde. Hier werden wir am Ortseingang von einer geschnitzten Informationstafel und den freundlichen Worten: „Herzlich willkommen im Despetal“ empfangen. Wir steuern die Schulstraße an, seit sechs Jahren neuer Standort des ehemaligen Pförtnerhauses der Kali-Schachtanlage Mathildenhall. 1999 von den neuen Hausherren, den Männer der Reservistenkameradschaft Despetal, im Hildesheimer Wald abgebaut, erstrahlt es jetzt (nach den Richtlinien des Denkmalschutzes wiederaufgebaut) mitten in Barfelde.
Mehr über die Geschichte Barfeldes, die bereits im Jahr 1022 beginnt, erfahren wir einen knappen Kilometer später, am Ortsausgang: Bevor wir auf den gut ausgebauten Radwanderweg auf dem ehemaligen Bahndamm nach Eitzum fahren, machen wir noch einmal kurz auf dem Grillplatz am alten Bahnhof Halt. Hier gibt ein großer Schaukasten die interessante Ortschronik und damit einen Blick in die Vergangenheit frei. Wir widmen uns aber der Gegenwart und radeln die nächsten Kilometer parallel zur Despe, an Nienstedt und Hönze vorbei.
Um auch weiterhin dem Straßenverkehr zu entgehen, fahren wir nicht den direkten Weg nach Petze an der Landstraße entlang. Stattdessen halten wir uns etwa einen Kilometer hinter Hönze rechts, radeln südlich an Sibbesse vorbei (von weitem sehe ich die Biogas-Anlage zwischen den Maisfeldern liegen) und überqueren dann die große Nord-Süd-Eisenbahnstrecke. Während dieses Abschnitts muss ich zwar auch die kleineren Gänge meines Rades einlegen, denke aber sofort an den 80-jährigen Siegfried Doering und erhöhe das Tempo wieder reflexartig. Den Blick gen Hildesheimer Wald gerichtet, mit dem prägnanten Funkturm auf dem Griesberg, geht es hier in Richtung Petze und ab da direkt an den Waldausläufern und gewaltigen Windrädern entlang nach Bodenburg.
Der herrliche Fernblick, der sich auf den abschließenden Kilometern vor uns auftut – über den Museumsbahnhof Almstedt hinweg bis hin zu den Sieben Bergen – entschädigt uns dann aber wieder für den Anstieg am Ende der Tour.
Mein Fazit:
Die Strecke ist mit ihren etwa 46 Kilometern auch für nichttrainierte Radfahrer gut zu bewältigen. Wer den Abstecher nach Haus Escherde machen möchte, muss rund sechs Kilometer drauf rechnen. Die mitunter etwas abschüssigen Kieswege und die Steigungen am Ende der Tour sind für Familien mit ganz kleinen Kindern nicht so gut geeignet. Da es unterwegs wenig Einkehrmöglichkeiten gibt, sollte man sich Essen und Getränke mitnehmen.