Der Gelbe Turm Hildesheim
Stahlgerüst gegen das Zittern der Sterne
Hildesheim soll schöner werden. Deshalb gründeten honorige Bürger um Oberbürgermeister Gustav Struckmann 1878 einen „Verschönerungsverein“ – der sich nicht nur für die Aufforstung der bis dahin kahlen Hügel auf dem Galgenberg einsetzte, sondern auf dem 168 Meter hohen Spitzhut 1886 auch gleich noch einen Aussichtsturm errichten ließ. 15,8 Meter ragte der Hüne in den Himmel. Von der Aussichtsplattform konnte man bei klarer Sicht im Süden den Brocken sehen, nach Norden reichte der Blick weit in die Norddeutsche Tiefebene. Und gäbe es nicht die Erdkrümmung, könnte man die Nordsee sehen, denn zwischen Spitzhut und Watt gibt es keine höhere Erhebung mehr.
Die Grundfläche des Turms misst vier mal vier Meter, nach oben verjüngt er sich mit jedem Geschoss, so dass er höher wirkt, als er tatsächlich ist. Bis zur Sanierung waren die Fensterhöhlen offen, nun wurden zum Schutz des Gebäudes Fenster eingesetzt. Künftig sollte der Turm aber noch an Attraktivität gewinnen und Sitz einer Sternwarte werden. Über dem historischen Teil des Gelben Turms führt nun eine Wendeltreppe hinauf zur Sternwarte.
Wie es der Zufall so will, hatte das Astrophysikalische Institut in Potsdam gerade eine Sternwarte abzugeben. Fünfeinhalb Meter misst der Durchmesser der hölzernen Kuppel. Sie auf dem Landweg zu transportieren, wäre schwierig geworden. Also wurde die Halbkugel an einen Helikopter gehängt und als Luftpost befördert. „Jedes nur irgendwie abschraubbare Teil wurde vorher schnell noch abgebaut, um das Gewicht zu reduzieren“, sagt Gola. Das Unglaubliche gelang: Am 19. August 1999 tauchte das Monstrum über dem Galgenberg auf, ein Kran erledigte den Rest. Um die historischen Proportionen des Turms nicht zu zerstören, wurde auf die Spitze eine luftige Stahlkonstruktion gesetzt, auf der die Kuppel fast zu schweben scheint.
Herzstück der Sternwarte ist ein Spiegelteleskop der Firma Carl Zeiss aus Jena, der Spiegel hat einen Durchmesser von 60 Zentimetern und schafft es so, eine Brennweite zu simulieren, die sonst nur mit einem 4,80 Meter langen Teleskop möglich wäre. Sternengucker können damit Sterne erkennen, die 10 000-mal lichtschwächer sind als die, die mit bloßem Auge noch sichtbar sind.
Doch schon gab es das nächste Problem. Die meterlange Betonsäule, auf der das Teleskop ruht, hat eine Eigenschwingung, die sich auf die Bildqualität überträgt: Statt gestochen scharfer Lichtpunkte also nur ein wabernder Lichtfleck? Ein eigens eingebautes Stahlgerüst stabilisiert nun die Botschaften aus dem Universum. Heute kommen jährlich mehrere tausend Besucher, um sich von den Astro-Experten in die Welt der Unendlichkeit entführen zu lassen.
Zunächst führt der Weg über ausgetretene Sandsteinstufen, danach geht es weiter auf neuen Stahlstufen. Doch auf der zweiten Aussichtsplattform endet plötzlich der Weg. Gola lacht: Sie öffnet das Vorhängeschloss, das eine Winde blockiert, und lässt an einem Stahlseil eine Leiter herunter. Der Weg in die Kuppel ist frei. Die optischen Geräte sind mit Planen zugehängt, denn auch wenn der Kuppelsaal im Wesentlichen geschlossen ist, zieht durch die Ritzen beständig der Wind. Bis zu 25 Leute finden mit etwas gutem Willen zeitgleich Platz.
Der Turm gehört weiterhin der Stadt, betrieben wurde er zunächst von der Volkshochschule. 2011 lief der Vertrag aus, die Sternwarte drohte zu verwaisen. Und wieder war es ein Verein, der dem Gelben Turm zur Seite stand: Hildesheimer Hobby-Astronomen ließen sich in die Pflicht nehmen, gründeten binnen eines Monats 2011 einen e.V., dessen Vorsitzender Arndt Latußeck wurde.
Weg zum Gelben Turm
Mit dem Auto erreicht man den Gelben Turm am besten über die Goslarsche Landstraße. An der Ausschilderung „Sternwarte“ dem Weg bergauf folgen, rechts an der Kinder- und Jugendpsychiatrie, links am Restaurant Brockenblick vorbei bis zur Jahnwiese fahren. Am Ende der Wiese parken, von hier führt ein Waldweg immer bergauf. Nach zehn Minuten Fußweg taucht der Turm ziemlich unvermittelt zwischen den Bäumen auf. Zu Fuß kann man auch den Höhenweg auf dem Galgenberg nehmen.
Gelbe Turm
Galgenberg,
31131 Hildesheim
0 51 21 / 88 04 56
Jeden Freitagabend unter fachkundiger Anleitung einen Blick zum Sternenhimmel werfen:
Januar/Februar ab 19.30 Uhr
März ab 20 Uhr
April ab 20.30 Uhr
Mai ab 21 Uhr
Juni ab 22.30 Uhr
Juli geschlossen
August ab 21 Uhr
September ab 20.30 Uhr
Oktober ab 20 Uhr
November/dezember ab 19.30 Uhr
(Anmeldung für Gruppen unter Telefon 45 453)
keine Angaben
(Stand 2018)